Mein Koffer ist sehr schwer. Dankenswerterweise bringt mein Onkel mich und den 29,2 Kilogramm schweren Brocken zum Mannheimer Hauptbahnhof, sodass ich dort nur noch in den ICE nach Frankfurt Flughafen steigen muss. Gedanken, ob nicht doch etwas vergessen wurde, werden selbst vergessen – jetzt wäre es eh zu spät.
Es ist acht Uhr in der Früh, als ich am Bahnhof sitzend die freudige Nachricht erhalte, dass ein guter Freund, der die Tage über in HD war und an diesem Morgen nach Bonn zurückfährt, notgedrungen in den gleichen ICE steigen muss, da sein Zug ausfällt. So kann das Treffen von gestern Abend wenigstens noch ein wenig nachgeholt werden.
Angekommen am Flughafen treffe ich die Anderen. Nach den recht unspektakulären Sicherheitskontrollen und dem aufkeimendem zerfleischendem Hungergefühl kann’s also auch schon in den Flieger gehen.
Es ist eine kleine Boeing 777-300 mit einer imposanten Businessklasse (Schalensitze und Riesenbildschirme) und einem etwas zu grellen Farbton; schließlich erreichen wir unsere Plätze, die, Economyklasse-typisch, Beinfreiheit vermissen lassen. Was auffällt ist aber auch hier die, gemessen an anderen Fluglinien, Größe der Bildschirme.1
Was mich besonders erfreut, ist dabei die Auswahl an 470 (!!) Filmen. (s. Bild 1) Ein Schlaraffenland, das den gleichen Rang einnimmt wie der Himmel des Fliegenden Spaghettimonsters! Wer hingegen spielen oder Musik hören will (alle Klavierkonzerte Mozarts? Kein Ding! Es ist zwar nicht so, dass ich die im Koffer hätte, aber…) oder sich einfach nur entspannen will, kommt auch voll auf seine Kosten.
Der Flug verläuft reibungslos, lediglich auf das (durchaus leckere) Essen (s. Bild 2) müssen wir aufgrund von Himmelshüpfern ein wenig warten. Syrien haben wir nebenbei bemerkt geschickt umflogen, sodass wir über die Türkei, ganz, ganz leicht über den Norden des Irak und zu großen Teilen über den Iran geflogen sind.
Tag 1 – Mittwoch, 13. August
Beim Landeanflug fragt man sich, wo denn eigentlich diese mysteriöse Stadt sein soll, in der wir zu landen gedenken. Schließlich sieht man nur Wüste. Tatsächlich hat man auch nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug nicht wirklich das Gefühl, in unmittelbarer Nähe (Luftlinie zum histor. Dubai: 4km) einer Stadt zu sein.
Was nicht heißt, dass das Image der Stadt nicht schon im Flughafen Niederschlag findet. Riesige Säulen säumen, deckenhoch, die Hallen des Flughafens – manche in schlichtem Marmor, manch andere mit einer silbernen Metallschicht versehen (s. Bilder 3 und 4). Es glitzert besser, nehme ich an…
Nachdem wir uns darauf geeinigt haben, per Metro zum Hotel zu fahren, suchen wir die Haltestelle auf. Am Ende der Rolltreppe erreicht uns der erste Eindruck eines Luftzuges von draußen – man kann die drückende Hitze erahnen. Es sind jetzt um 21 Uhr 37 Grad Celsius.
Ich stelle fest, dass man auch hier mit den Bahnkarten durch Schalter muss und man sich vorbezahlte Karten kaufen kann – Erinnerungen und Erwartungen an Japan werden wach. Nur noch zwei Tage! Wie auch immer, die Vorfreude hebe ich mir für den Weiterflug auf.
Jetzt geht’s erst einmal mit der grünen Linie – einfacherweise gibt es in Dubai bisher nur zwei Linien, die grüne und die rote (insgesamt sind vier Linien geplant) – bis Union (s. Bild 11), wo wir in die rote Linie für zwei Stationen umsteigen. Abu Baker Al Siddique ist unser Ziel.
Mit unserem Gepäck im Schlepptau und der Klimatisierung im Nacken suchen wir den nächsten Ausgang. Kaum treten wir über die Schwelle an die „frische“ Luft, ummantelt uns die Hitze der Nacht auf einen Schlag.
Analog zu der Zeitzonen-Szene aus Paul – Ein Alien auf der Flucht würde ich jetzt gerne über diese Demarkationslinie der Temperatur hüpfen. „Heiß.“ „Kalt.“ „Heiß.“ „Kalt.“2
Die Straße runter und auf der anderen Seite der Kreuzung (s. Bild 5) liegt unser Hotel (s. Bild 6), das Mövenpick Hotel Deira. In diesem historischen Viertel, Deira, sind auch die berühmtesten Märkte, die sog. Souks, der Stadt zu finden, der Gewürzsouk und der Goldsouk.
Aber auch ohne Gold weiß das Hotel zu begeistern. Die Eingangshalle krönen ein großer Kronleuchter und stilvolle Ledersessel. Der Empfang gestaltet sich dabei außerordentlich angenehm – es gibt sogar einen Appetizer-Drink dazu.
Nachdem unser Gepäck bereits ohne uns auf dem Weg ins Zimmer ist, fahren auch wir mit dem Aufzug in den zweiten Stock, um unser Zimmer zu begutachten. Eine Impression erhaltet Ihr an der Seite (s. Bild 7). Ich muss sagen, so ein 37m2 Zimmer ist schon nett. Natürlich ist es nichts im Vergleich zu anderen Suiten in Dubai, aber dass man es sich auch für 34€ pro Person pro Nacht so gut gehen lassen kann, überrascht.
Lustigerweise fällt bei dem Preis unsere Unterkunft laut Reiseführer (Dubai, Gerhard Heck (Hrsg.), DuMont Verlag, 2014) in die Kategorie „Jugendherberge“. Das Gefühl habe ich nicht, denn es gibt etwas, das es wohl in keiner Jugendherberge der Welt geben dürfte. Aber dazu später mehr.
Es ist knapp 22 Uhr und wir haben es uns kurz bequem gemacht. Eine Sache stört dennoch: der Hunger. Wir überlegen, an den Creek hinunterzugehen und auf dem Weg oder dort etwas zu essen. Um schon am Anfang eine Mall-Erfahrung zu machen, fragen wir, wo die nächste ist und wie lange sie geöffnet hat (dass am Creek eine ist, weiß ich, jedoch befürchte ich, dass sie um 22 Uhr schließt).
Passenderweise liegt in der Tat auf dem Weg eine Mall, sodass wir zunächst dorthin schlendern. Keine zehn Minuten und wir sind da. Es ist die kleine „Reef Mall“, die ein paar Geschäfte beherbergt und oben obligatorisch einen Food Court hat. Nichts besonderes, schließlich haben wir im Moment nur ein Ziel vor Augen und da kann man sich nicht ablenken lassen.
Wir entscheiden uns für eine kleine arabische Kost, stärken uns und treten den weiteren Weg an. Impressionen des Weges zum Creek seht Ihr auf den Bildern 8 bis 13 (auf die Bilder klicken, damit es schärfer wird).
- Bild 8. Ein Gebäude gegenüber der Reef Mall.
- Bild 9. Auch Katzen müssen sich abkühlen.
- Bild 10. Palmen findet man auch viele.
- Bild 11. Tanzende Menschen vor der Metrohaltestelle.
- Bild 12. Ein Vorgeschmack auf ungewöhnliche Architektur.
- Bild 13. Ein Asialaden an einer Ecke.
Unten angekommen erleben wir zunächst eine Tai Chi Show auf dem Platz schräg vor dem Casiogebäude (s. Bild 14, unten rechts; Tai Chi Leute einfach dazudenken), brummende Trucks und vor allem wunderschöne Frachtschiffe im europäischen Stil und in den buntesten Farben und Facetten – ein Überbleibsel britischer Partnerschaft.
Da es leider verboten ist, an Häfen zu fotografieren, kann ich nur zwei aussagekräftige Fotos erhaschen (s. Bilder 15 und 16). Das Hafengetreibe mit den per Hand beladenen Schiffen in diesem „historischen“ Teil Dubais (so alt ist die Stadt ja nicht; das Scheichtum Dubai wurde 1833 von Maktum bin Buti gegründet) vermittelt ein sehr schönes Flair des vormodernen Dubais.
Auf der anderen Seite des Creeks (s. Bilder 17 und 18) sehen wir neben dem Symbol Dubais, dem in die Höhe ragenden Burj Khalifa (ein wenig ist die Sicht durch Sand eingeschränkt), das andere historische Dubai, Bur Dubai. Dort stehen im Viertel Bastakiya Windtürme, die eine Art architektonische Vorläufer von Klimaanlagen sind. Es war leider zu dunkel, um davon Fotos zu machen.
Zudem ist es für eine Wasserüberquerung per Abra (Wassertaxi) schon zu spät bzw. würde sich der Rückweg als zu kompliziert gestalten; wir gehen daher am Wasser entlang zurück, bis wir vor dem EXPO-Gebäude eine kleine Ruhe- und Sportoase finden.
Um diese Zeit (ca. 23:30 Uhr) hat es sich auf angenehme 30 Grad Celsius abgekühlt, sodass man es sich hier auf der Wiese gemütlich macht (s. Bild 19), Sportaktivitäten frönt (s. Bild 20, hinter dem Kamel; es wird Badminton gespielt) und/oder dem Treiben zuschaut.
Auch wir lassen uns nieder, ziehen die Schuhe aus und setzen und legen uns auf den (Kunst?)rasen. Wir beobachten die Leute, schauen, wie sie spielen. Dann schließen wir die Augen und genießen (in diesem Moment wirklich) kühle Brisen, die uns ein vertrauteres Gefühl des Sommers bringen.
Ausgeruht schreiten wir den Weg Richtung Hotel an, um uns der nächtlichen Ruhe zu widmen – schließlich wird morgen ein ereignisreicher Tag. Auf dem Weg sorgen wir für Proviant und ein eventuelles Frühstück – ob wir das noch nicht bezahlte Hotelbuffet am Morgen in Anspruch nehmen, steht nämlich noch nicht fest.
Im Hotel angekommen durchforsten wir das TV-Programm und stehen vor dem Problem, die Klimaanlage nicht ausstellen zu können. Wohl oder übel für manchen muss man sich also in diesem Zustand schlafen legen. Damit geht der Tag zu Ende, wir schauen mit Freude auf den geglückten Beginn des Urlaubs zurück und legen uns mit folgendem Aphorismus zu Bette:
‚Arabische‘ Zahlen wirken im arabischen Raum befremdlich.
Dass die europäische Variante der ursprünglich indischen Ziffern im arabischen Schriftraum Gebrauch findet, ist überraschend.
Mumon
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Fußnoten
1 Lufthansa, jetzt enttäuschen mich Eure A380 ein wenig… ↑
2 Wer das Original nicht kennt: https://www.youtube.com/watch?v=3dB92cZ1TRM, ab 07:35 min. ↑
Sehr erhellender Beitrag! Danke auch für die vorbildliche Wahrung meiner Anonymität und Persönlichkeitsrechte. „Ein guter Freund, der über ein paar Tage in HD war…“ 😀
Viele Grüße aus Bonn
PS